Midifizierung einer Böhm FnT Orgel


Teil A - 1. Was ist Midi

keine Angst, es folgt kein Midi Lehrgang, nur das Wichtigste (dürfte dem Interessenten an diese Thema ohnehin bekannt sein).

Midi ist die Abkürzung für Musical Ins+trument Digital Interface, auf Deutsch also Schnittstelle für Musikinstrumente. Es ist eigentlich eine Computersprache mit deren Hilfe elektronische (seit neuestem auch mechanische Musikinstrumente wie Gitarren, Flöten, Schlagzeug etc.) miteinander oder mit einem Computer kommunizieren können. Auch lassen sich so Expander (Soundmodule) oder Lichtsteuergeräte mittels Midi ansprechen. Der Vorteil liegt auf der Hand: unterschiedliche Hersteller von Musikinstrumenten haben eine gemeinsame, standardisierte "Sprache".

Ein Beispiel für einen Midi Befehl ist der Notenbefehl (Note-Message). Wenn man einen Ton auf der Tastatur eines Midi Keyboards spielt, wird diese in einen binären Code (das ist das mit den Nullen und Einsen) übersetzt. Dieses Signal beinhaltet die Tonhöhe (Lage auf der Klaviatur), die Ton Dauer (On/Off) und die Ton Intensität (leiser oder lauter Anschlag). Das Signal wird dann an die Midi-Out Buchse geleitet. Von hier aus gelangt das Signal über die Midi-In Buchsen zu den angeschlossenen Geräten. Dieses Gerät, z.B. ein Soundmodul, spielt den gedrückten Ton. Über weitere Midi Befehle (Controller-Befehle) lassen sich so umfangreiche Musikanlagen zu unterschiedlichen Zeiten ansprechen. Der Musiker (sprich hier: ein Musiker) ist somit in der Lage, allein ein ganzes Instrumenten-Orchester zu befehlen.

Mit Hilfe von Computern und einer Sequencer Software kann ein Musiker, wie zu Zeiten der alten Mehrspur-Tonbandtechnik, aufwendige Musikarrangement erstellen, bearbeiten und aufzeichen.

Teil A - 2. Technische Umsetzung in einer 3 manualigen Böhm Orgel Typ FnT

Die Böhm Orgeln der nT Serie verwenden einen elektronischen Tonerzeuger, den sog. Generator. Dieser Generator erzeugt permanent Sägezahnschwingungen (bzw. Rechteckschwingungen). Also alle Töne der Orgel von C (Unterstrich) bis c6, rund 9 Oktaven. Diese elektrischen Signale werden über Kabel an die Tastenkontakte weitergeleitet. Die Tastenkontakte sind nichts weiter als Umschalter Ein/Aus. Unter jeder Taste ist also ein 9facher Umschalter vorhanden. In der Skizze weiter unten "prinzipieller Aufbau der 3 Manuale", als Kontaktplatte bezeichnet. Von diesen Schaltern gelangt das Signal bei gedrückter Taste an die Klangformung (Register), wird hier über RC, LC, Widerstandsketten solange umgeformt, bis eine Schwingungsform entsteht, die dem des gewünschten Instrument (bei gedrücktem Register) entspricht, beispielsweise ein Principal 8`. Das Ganze ist also eine analoge elekronische Klangerzeugung.

Die Entwickler des Instruments haben jetzt nicht nur die 9fachen Umschalter pro Taste konzeptioniert, sondern vielmehr einen weiteren Umschalter vorgesehen. Dieser Umschalter war zum Anschluß von Erweiterungen wie des Böhmaten (elektronische Begleitautomatik), vorgesehen. Weiter soll hier nicht auf die Analog-Orgeltechnik eingegangen werden.

Sofern, Sie, lieber Interessent, Ihre Böhm Orgel nicht mit diesen Erweiterungen ergänzt haben, hat Ihre Orgel in der Regel also im Pedal, Untermanual und Mittelmanual je Taste einen Umschaltkontakt frei. An diese freien Umschaltkontakte lassen sich die Midi-Nachrüstungen ganz einfach anschließen.

Sofern Sie die Ergänzungen eingebaut haben, bleibt Ihnen die Wahl zwischen a) Rückbau (nicht zu empfehlen) oder Nachrüstung von Umschaltkontakten je Taste. Etwas aufwendig, aber das Ergebnis ist die Mühe wert.

Die folgende Skizze zeigt den prinzipiellen Aufbau der 3 Manuale mit den Umschaltern (Kontaktplatten) und möglichen freien Kontakten

3 Manuale mit Umschaltern



Sofern Sie die Nachrüstungen in Ihrer Orgel haben, müssen Sie die Umschalter pro Taste nachrüsten. Um es gleich vorweg zu nehmen, eine Arbeit die etwas handwerkliches Geschick erfordert! Die Kontaktwinkel (siehe nachfolgende Skizze) sind durch die Kunsstofftasten gegen den Klaviaturrahmen (Masse der Orgel) isoliert. Prüfen Sie das zur Sicherheit mit einem Ohmmeter. Das ist unser Glück. An diese Kontaktwinkel lassen sich so mit etwas Geschick bewegliche Kontaktdrähte anbringen (idealerweise die Originalkontaktdrähte von Böhm aus , aus der Bastelkiste usw. usw.), wie in der Skizze eingezeichnet. Pro Oktave dient eine Lochrasterplatine (ca. 1x1 cm) dann zur Aufnahme der Erdsammel- bzw. Signaldrähte.

Die Kontakt- und Stahldräthedrähte. Böhm schrieb damals in der Bauanleitung von einem Federkern mit Spezial-Oberfläche mit 0,35mm Duchmesser. Meine Recherechen bei diversen Herstellern ergaben, dass man diese zwar bekommt, aber mit einer CU Oberfläche, was nach meinen Überlegungen langfristig zu Kontaktproblemen führen kann. Oberflächen wie Silber oder Phosphorbronze ( oder Berylliumkupfer ?) sind besser geieignet. Ich hatte dann insofern ein wenig Glück, dass ich eine aufgebaute Böhm Klaviatur bei e-bay ersteigern konnte. Diese hat als Quelle für die Kontaktdrähte herhalten müssen. Die Stahldrähte habe ich vor dem Einbau gründlich mit Sandpapier gereinigt (kein Kontaktspray o.ä.).
Seit mehr als einem Jahr sind bislang keine Probleme aufgetreten



Auf die Funktion und den Anschluß wird im nächsten Kapitel Midi-Nachrüstung noch eingegangen.

Meine Ausführung zeigt das Foto weiter unten. Die Erdsammel- bzw. Signaldrähte bestehen aus 1,5 mm Stahldrähten, in der Länge für das gesamte Manual angepasst. Man kann sie in jedem Modellbaugeschäft bekommen. Die Stahldrähte sollten vor dem Einbau gereinigt werden. Bitte achten Sie darauf, dass der Einbau der Lochrasterplatinen so erfolgt, dass bei gedrückter Taste noch 1-2 mm Luft zwischen Kontaktwinkel und Lochrasterplatine ist (in der Skizze mit Weg A bezeichnet). Lieber Leser, pro Manual 61 Kontaktdrähte wie beschrieben einbauen, das heißt 183 Kontaktdrähte, 5-6 Lochrasterplatinen, pro Manual, 6 Stahldrähte; im Pedal noch einmal für 30 Tasten, dazu braucht es etwas Zeit. Wenn Sie hier "unsauber" arbeiten, werden Sie später beim Orgelspiel dafür "bestraft". Nehmen Sie sich also Zeit. Die Stahldrähte habe ich an den Manualenden links und rechts mit vom Kunsstoff befreiten Lüsterklemmen fixiert. Vorteil: man kann in die Lüsterklemmen die Kabel zu den Midi Adaptern anschließen, da man Stahl nur sehr schwierig löten kann.

Taste aufgerüstet

neue Kontakte



Wenn diese Arbeiten ausgeführt sind, müssen die Kontaktdrähte noch justiert werden. Bei nicht gedrückter Taste muss der bewegliche Kontaktdraht sicher am Erddraht anliegen, bei gedrückter Taste muss der bewegliche Kontaktdraht sicher vom Erddraht abheben und am Sammeldraht anliegen. Wenn Sie eine anschlagdynamische Midi Nachrüstung (siehe nächstes Kapitel) wählen, ist diese Justierung Voraussetzung dafür, dass die Anschlagdynamik über die gesamte Tastatur gleichmäßig beim spielen wirkt. Jetzt können Sie sich dem Einbau der eigentlichen Midi-Adapter widmen

Teil A - 3. Midi Adapter Nachrüstung

Midi Adapter werden von einigen Herstellern angeboten. Zum einem von Böhm selbst in verschiedenen Ausführungsformen, sprich anschlagdynamisch oder nicht. Weitere Hersteller findet man im Internet.

Auch der Selbstbau ist für versierte Elektroniker möglich. Bauanleitungen findet man im ebenfalls im Internet.

Für welchen Adapter Sie sich entscheiden, ist für die Funktion belanglos.

Das Prinzip ist einfach. Jeder Taste (beweglicher Kontaktdraht) ist ein Kontakt auf den jeweiligen Adaptern zugeordnet, die Erd- bzw. Sammeldrähte als Summensignal. Wenn man sich an die beiliegenden Beschreibungen hält, ist der Zusammenbau, Einbau und elektrischer Anschluss einfach.

midi-adpater prinzip



Meine Böhm FnT ist mit 3 Böhm Midi Adaptern Typ 2006, anschlagdynmisch aufgerüstet worden. Die zwei nachfolgenden Fotos zeigen deren Einbau im Mittelmanual.

midi-2006 a


midi-2006 b

Teil A - 4. Midi "raus"

Ein wenig Theorie. Jeder Midi-Adapter erzeugt ein Signal, welches zum Ansteuern von Midi Empfängern wie Soundmodulen usw. geeignet ist. In der Regel hat jeder Midi-Empfänger einen Midi-Eingang, so dass sich 3 Manuale und ein Pedal so nicht anschließen lassen. Alternativ kann man jedem Midi-Adapter ein eigenes Soundmodul spendieren (wer sich das leisten kann, bitte), elganter ist dagegen die Zusammenführung der 4 Midi Adapter auf einen Midi Ausgang. Da es sich um digitale Signale handelt, ist ein zusammenführen über Widerstände leider nicht möglich.

Dazu gibt es geeigente Technik, sog. Midi-Merger in den verschiedensten Ausführungsformen. Zur komfortablen Verwaltung der 4 Midi-Adapter habe ich das Böhm Midi Control eingesetzt, auf dessen Möglichkeiten im nächsten Kapitel eingegangen wird. Die nachfolgende Skizze zeigt das Prinzip eines Midi-Mergers.

midi-raus



Teil A - 5. Böhm Midi Control - Erweiterung auf 2 Bedienfelder

Ein Midi-Merger der Luxuxklasse stellt das Böhm Midi-Control dar. Auch andere Hersteller vertreiben Midi Merger in verschiedenen Qualitäten. Ich habe mich für das Böhm Midi-Control entschieden, weil dieses Gerät fast keine Wünsche, was mit dem Umgang mit Midi-Signalen machbar ist, offen lässt. Auf den Umgang mit den Midi Signalen gehe ich im Teil B - Schnittstelle, Routing und Progammierung noch detailliert ein.

Hardwaremäßig bietet das Gerät die Möglichkeit 4 Midi-Eingänge, 4 Midi-Ausgänge sowie ein externes Diskettenlaufwerk zur Datensicherung anzuschließen. Die Bedieung und Programmierung ist über Tasten und Drehregler, nach einiger Einarbeitungszeit, auch problemlos möglich. Ein zweizeilige Anzeige vervollständigt das Ganze. Wer einen ATARI Computer sein eigen nennt, kann die Progammierung komfortabel über den Computer am Bildschirm vornehmen. Dazu ist ein eigener Editor notwendig.

midi control



In meinem konkreten Fall ergab sich jetzt die Problematik, dass das Midi-Control einfach zu groß ist, um es irgendwo links oder rechts neben den Manualen aufzustellen. Stellt man es oben auf die Orgel, ist es einfach zu weit weg, also nicht mehr im kurzwegigen Zugriff für die Hände während des Spielens. Also entschloß ich mich zu einem weitreichenden Eingriff. Ich habe die Bedienelemente (18 Taster und 4 Drehregler) dupliziert und in die linken Seitenbrettchen am Mittel- und Untermanual eingebaut. Wie das im noch nicht ganz vollendeten Ausbau dann aussieht, zeigt das nachfolgende Foto.

control doppelt



Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht auf die Grundlagen der Elektrotechnik eingehen, was so alles zu beachten ist, beim parallelschalten von Widerständen mit dem daraus resultierenden neuen Gesamtwiderstand usw. usw., Das würde den Rahmen dieser Homepage sprengen. Nur soviel sei gesagt, das Problem muß gelöst werden, um die Funktion des Midi Control nicht zu gefährden. Mein Midi Control sollte auch weiterhin als Stand-Alone Gerät verwendet werden können. Um das sicherzustellen, habe ich an der Rückseite aus Paralell- und Seriellbuchsen, wie sie aus der Computertechnik bekannt sind, eingebaut. Die zu den Potis und anderen Bauelementen führenden Leitungen werden dazu auf der Hauptplatine des Midi-Control getrennt und zu den Buchsen geführt. Ein aufgesteckter "Blindstecker" schließt die Stromkreise wieder und sichert somit den Stand-Alone Betrieb. Werden die Blindstecker abgezogen und mit einem anderen Stecker verbunden, der die Bedienelemente-Verdrahtung von den Seitenbrettchen aufnimmt, sind diese dann auch wirksam. Das Midi Control ist somit bedienelementemäßig quasi in die FnT integriert. Das ganze funktioniert einwandfrei. Während des spielens auf der Orgel hat man einen einfachen, kurzwegigen Zugriff auf die Midi Steuerung.

midi control hinten



Jetzt waren endlich alle hardwaremäßigen Vorbereitungen abgeschlossen. Die Orgel war damit midifiziert. Jetzt galt es nur noch das Midi-Control zu programmieren, um endlich die Möglichkeiten einer 3 manualigen Orgel mit Vollpedal mittels Midi auszuschöpfen. Wenn Sie Interesse haben, lade ich Sie ein, im nächsten Kapitel nachzulesen, wie ich meine Midi Orgel "geroutet" habe.

Hinweis: die schwarz-weiss Skizzen stammen aus der Bauanleitung der Fa. Böhm, von mir um die erweiterungsrelevanten Einbauten farbig ergänzt

Teil B - Schnittstelle, Routing und Progammierung





gaestebuch


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© Christoph Pollag, erstellt: 26.01.2004, update 23.05.2008